Ganz bescheiden

Kurze Frage vorab

Wer ist Ihnen sympathischer: Eine Person, die sich in den Vordergrund drängt, lauthals alles kommentiert und Sie nie zu Wort kommen lässt ODER eine Person, die Ihnen die Tür aufhält, Ihnen einen Platz reserviert, wo auch immer Sie sitzen möchten, und immer ein offenes Ohr für Sie hat? Die wenigsten werden sich für erstere entscheiden. Warum sollte man bei einem Corporate Design anders denken?

Was ist gutes Design?

Die Antwort auf die Frage, was gutes Design sein soll, ist schwierig zu geben. Eine Definition, auf die sich die meisten einigen können, stammt von Dieter Rams. Der Produktdesigner prägte maßgeblich über Jahrzehnte die Produkte des Elektrogeräte-Hersteller Braun. Und inspirierte damit Steve Jobs und Apple nachhaltig. Seine „Regeln“ lauten:

  • Gutes Design ist innovativ.
  • Gutes Design macht ein Produkt brauchbar.
  • Gutes Design ist ästhetisch.
  • Gutes Design macht ein Produkt verständlich.
  • Gutes Design ist unaufdringlich.
  • Gutes Design ist ehrlich.
  • Gutes Design ist langlebig.
  • Gutes Design ist konsequent bis ins letzte Detail.
  • Gutes Design ist umweltfreundlich.
  • Gutes Design ist so wenig Design wie möglich.

Zwar sind die Designprinzipien von Rams stark aus seiner Sicht als Produktdesigner formuliert, doch lassen sich die meisten Punkte auch auf Kommunikationsdesign übertragen. Und wenn man gutes Design in nur einem Satz definieren will, muss man sagen:

Gutes Design ist bescheiden.

Nehmen Sie beispielsweise Porsche: Das Corporate Design von Porsche steht seit jeher für Klarheit und Souveränität. Es hält sich zurück und lässt die Sportwagen glänzen. Wenn man die Rams-Checklist durchgeht, dann erfüllt das Corporate Design von Porsche fast alle Punkte. Ein weiteres Beispiel ist Google. Hier verschmelzen Produkt- und Kommunikationsdesign: Digitale Services wie die Suchmaschine von Google sind meist Produkt und Kommunikationsmittel in einem. Umso erstaunlicher scheint der Fall Google. Denn das Design der Google-Startseite ist ein Leuchtturm der Bescheidenheit. Und das obwohl dahinter ein komplizierter Algorithmus, riesige Rechenzentren und ein Milliardenkonzern stehen. Besucht man die Startseite, so erwarten den Nutzer ein Feld zur Sucheingabe, zwei Buttons und das Google-Logo. Das war’s. Der ganze Rest ist eine große weiße Fläche. Man kann es mutig oder auch bescheiden nennen. Sie dürfen entscheiden.

Ein Ort der Bescheidenheit: Silicon Valley

Ein weiterer Blick über den großen Ozean zeigt: Fast alle großen Technologie- und Software-Konzerne im Silicon Valley entdecken bescheidenes Design für sich. Apple ist bekanntlich seit Jahrzehnten erfolgreicher Vorreiter für einfaches, reduziertes Design (Dieter Rams sei Dank). Doch Apples Nachbarn schlafen nicht. Gut nachvollziehen lässt sich die Wandlung der Tech-Industrie in deren Apps . Dropbox, Instagram, Airbnb, Apple Music oder Twitter  – sie alle fallen mit ihrer Unauffälligkeit auf. Das Interface-Design der Apps ist geprägt von:

  • Viel Weißraum,
  • schwarze Schrift,
  • reduzierte Icons,
  • kaum Farbakzente.

Bemerkenswert ist, dass sie auf starke Branding-Elemente verzichten. Noch bemerkenswerter ist es, dass sie es bei ihrem wichtigsten Produkt beziehungsweise bei ihrem wichtigsten Kontaktpunkt mit dem Kunden machen. Das Silicon Valley hat erkannt, dass die Nutzer sich mittlerweile an Funktionen und deren Designs gewöhnt haben. Deshalb gleichen sich die Designs der Apps immer mehr an. Denn in der nicht mehr ganz so jungen digitalen Welt gibt es mittlerweile etablierte Funktionen, feste Orte für Funktionen und gelernte Gestaltung von Funktionen. Ein Test: Wo erwarten Sie beim Online-Shopping die Warenkorb-Funktion? Richtig, sie ist immer oben rechts. Eine abweichende Gestaltung würde zu einem drastischem Nutzerschwund führen. Und letztendlich zu einem wirtschaftlichen Schaden durch weniger Verkäufe. Designs müssen sich folgerichtig ähneln, aber Marken müssen sich letztendlich unterscheiden. Wie soll das gehen?

Der Weg aus der Uniformität

Wo also können Marken sich differenzieren? Wie schaffen sie es, sich vom Wettbewerb abzuheben und ihre Eigenständigkeit zu verkörpern? Wie wird ihre Corporate Identity sichtbar? Im Grunde ist die Antwort wieder ganz einfach: mit kreativem Content. Genauer gesagt mit Texten, Bildern und Animationen. Gutes Design erlaubt es, sich voll auf den Content zu fokussieren. Man kann sich viel stärker auf die Botschaft konzentrieren, sie schärfen und kreativ aufbereiten. Spitz formuliert, ist Content das neue Branding. Und mal ehrlich: Content, der aus dem eigenen Unternehmen kommt, verkörpert doch viel stärker die eigene Corporate Identity als irgendein ausuferndes Branding-Element, das sich repetitiv durch alle Medien quält, oder? Auch bei kreativem Content können wir wieder Google lobend erwähnen. Mit den Google Doodles, also den Logo-Spielereien zu bestimmten Anlässen, beweist Google eine Menge Kreativität. Der Konzern wählt besondere Jahrestage aus und lässt sie illustrieren. Das erfreut Nutzer auf dem ganzen Globus und Google setzt damit Botschaften zu relevanten Themen. Und da das Design der Google-Startseite so reduziert ist, können die Doodles abwechslungsreich in unterschiedlichster Form und verschiedensten Farben dargestellt werden, ohne dass es mit dem Design konkurriert. Dennoch erkennt jeder Google als Absender.

Ausweg aus der Uniformitaet
Exit-Strategie aus der Uniformität: kreativer Content ist für Unternehmen der Weg aus den immer gleichen, austauschbaren Markenauftritten.

Es wird einfacher

Flexibilität und Agilität sind die maßgeblichen Anforderungen an Corporate Designs heutzutage. Die digitalen Kanäle fordern mehr Anpassungsfähigkeit von Marken. Ihre Designs müssen mehr als nur responsive sein, sie müssen auch in Virtual und Augmented Reality bestehen. Zudem verlieren Marken die Souveränität über ihr Design. Auf den Social-Media-Plattformen geben die Anbieter alles vor, nur wenig Gestaltungsmöglichkeiten bleiben übrig. Die einzige Möglichkeit allen diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist die Reduktion der Komplexität von Design. Einfaches Design ohne viele Regeln, sondern mit flexiblen Prinzipien ist die Zukunft. Früher waren es starre Templates mit konkreten Vermassungen, künftig werden es vermehrt Designsysteme sein, die mit freien Gestaltungselementen kreative Lösungen ermöglichen. Doch die Entwicklung von „einfachem“ Design ist nicht ohne: was einfach wirkt, dahinter steckt meist sehr viel Arbeit. Denn einfaches Design erfüllt dennoch alle Funktionen, die ein „kompliziertes“ auch bedient. Der Designer, der das “einfache” Design entwickelt, löst die Herausforderungen schon vorweg. Bei “kompliziertem” Design wird das Problem dem Anwender überlassen – meist mit einem weniger gelungenem Endergebnis. Und mit großem Aufwand beim Erstellen aller Kommunikationsmittel.

Simple can be harder than complex


Steve Jobs

Ein weiterer Faktor, der für Unternehmen und insbesondere für das Marketing interessant ist: Re-Branding-Prozesse werden bei weitem nicht mehr so aufwendig und teuer. Einfaches Design ist effizienter und nachhaltiger. Anpassungen an neue Medien sind viel flexibler.

tl,dr: Reduziertes Design ist (wieder) ein Trend, aber auch nachhaltig. Es bietet Platz für kreativen Content und Marken können sich stärker darauf konzentrieren, was sie ihren Kunden kommunizieren möchten und vor allem wie.

Die Messe im digitalen Zeitalter

Beste Connections auf der Messe

Die Messe ist und bleibt ein herausragendes Kommunikationsmittel für Vertrieb und Marketing. Das persönliche Treffen auf Messen ist im digitalen Zeitalter wichtiger denn je. Im Konsumgüterbereich mag das nicht mehr ganz so zutreffen, hier nehmen die Online-Kanäle wie Webshops einen größeren Stellenwert ein. Doch für Industriegüter gilt die Messe nach wie vor als ein Leitmedium. Wer viel Geld für eine Maschine in die Hand nimmt, möchte sich darüber nicht ausschließlich im Web informieren. Der Austausch, das Erfahren und Erleben sind noch immer die große Stärke von Messen. Die Messe ist ein emotionales Event, das Kunden und Unternehmen zusammenbringt und die Kundenbindung stärkt. Ein Webauftritt kann das nicht in vollem Umfang ersetzen.

Messekonzepte erstellen mit digitaler Denke

Ein Messestand kann allerdings von einer digitalen Denkweise profitieren. Bei jedem Digitalprojekt steht die User Centricity im Mittelpunkt. Das bedeutet, alles ist auf die Bedürfnisse des Kunden ausgerichtet: die Bedienbarkeit, die Informationsarchitektur, die Aufbereitung des Contents. Bei der Konzeption eines Messestandes kann genauso auf Tools wie User Journey, Persona und Prototyping zurückgegriffen werden, um ein möglichst nutzerfreundliches Erlebnis für den Messebesucher zu erzeugen. Basis für das Konzept können Design-Thinking-Workshops sein. Hier lassen sich Vertreter aus verschiedenen Unternehmensabteilungen vereinen, die ihre Blickwinkel und Erfahrungen mit Kundenbedürfnissen einbringen können.

Digitale Tools helfen, einen Messeauftritt aus der Sicht eines Besuchers zu entwerfen.

Aus diesen Informationen werden Zwischenergebnisse erarbeitet und anschließend getestet, ob sie dem zuvor definierten Lastenheft standhalten. Das Endergebnis ist aus unserer Erfahrung immer überzeugend. Der nutzerzentrierte Designprozess führt dazu, dass viel stärker auf die Faktoren wie Usability, Experience und Interaction eingegangen wird. Funktionalität, Design und Emotion fügen sich harmonisch zu einem multisensorischen Messeerlebnis zusammen. Darüber hinaus lassen sich auch die Vermarktung vor und nach der Messe durch Design Thinking viel besser planen.

Digitale Potenziale auf dem Messestand

Nicht nur mit einer digitalen Arbeitsweise, sondern auch mit digitalen Kommunikationsmitteln wird der Messestand zum Erfolg. Zwar möchten Messebesucher in erster Linie Fachgespräche führen und selbst Hand an die Produkte legen. Doch im B2B stecken enorme Potenziale in der digitalen Präsentation von Produkten und Services. Denn die meisten Maschinen und Dienstleistungen werden immer komplexer und mit „Handanlegen“ können ihre Funktionen nicht komplett erfasst und verstanden werden. Augmented Reality und Touchanwendungen sind besonders geeignet, um diese anspruchsvollen Inhalte in digitaler Form elegant, emotional und verständlich darzustellen.

Holistisch denken und von vornherein Digitales mit einplanen.

Allerdings fühlen sich digitale Anwendungen oft wie Fremdkörper auf dem Messestand an. Entweder sie werden in eine abgesonderte Ecke verbannt oder sie werden zusätzlich über das eigentliche Standkonzept gestülpt. Ein weiterer Störfaktor sind unterschiedliche Designrichtlinien, die einen Bruch zwischen analoger und digitaler Welt verursachen und somit die Immersion zerstören, also das Kundenerlebnis mindern. Wichtig ist daher: Niemals Digital und Analog getrennt voneinander betrachten. Digitale Anwendungen müssen sich inhaltlich und gestalterisch in das Standkonzept fügen. So kann ein Messeauftritt in einer digitalen Zeit erfolgreich sein.

Multimedialer Messeauftritt von Herrenknecht auf der bauma 2019: explorative Digitalanwendungen, haptische Modelle, Bewegtbild und plakative Wände im Editorial Design

tl;dr: Ein B2B-Messestand kann nicht durch einen digitalen Kanal ersetzt werden. Er profitiert aber von digitalen Tools und digitalen Anwendungen. Ein Beispiel wie das gelingt, zeigt der Messeauftritt von Herrenknecht auf der bauma 2019.